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Hier habe ich eine kleine Auswahl von Geschichten zusammengetragen, die dem Schinderhannes nachgesagt werden. Viel wurde über Jean Buckler, den Schinderhannes, geschrieben, und so manches ist ihm angedichtet worden. Die nachfolgenden Erzählungen sind also kritisch zu betrachten und stellen keine genaue Wiedergabe der geschichtlichen Ereignisse dar.
Wie romantisch verklärt man das wilde Leben des Räubers Jean Buckler auch sehen mag, seine Taten sind klar zu verurteilen. Er hat vielen Menschen Leid gebracht und sein Bild war selbst bei der ärmsten Bevölkerung oft negativ geprägt. Die Behauptung Jean Buckler wäre ein Robin Hood des Hunsrück gewesen ist nach neuester Forschung ein Mythos.

Schinderhannes in der Bauernstube

Auf seinen Streifzügen kommt Bückler an eine Bauernhütte. Auf sein Pochen öffnete ihm ein altes Weibchen; in der Stube steht der Mann und macht Fackeln. Schinderhannes fragt im Lauf des Gespräches, ob sie sich nicht vor den Räubern fürchten? "O nein", erwidert der Alte, "der Schinderhannes tut den Armen nichts; aber ich möchte doch eine Sicherheitskarte haben, weil ich seinen Leuten nicht recht traue." Bückler nimmt aus seiner Tasche eine Flasche Wein und schenkte sie dem Bauer. "O Gott", ruft plötzlich der Bauer, "da kommen Bewaffnete, ich bin verloren!" Schinderhannes, in der Meinung es seien Gendarmen, entflieht in die anstoßende Kammer. Gleich darauf wird die Tür aufgerissen und vier bis an die Zähne bewaffnete Räuber treten ein. Sie packen den Bauern und sein Weib, werfen sie zu Boden und verlangen Geld. Zitternd und zähneklappernd nestelt der Bauer den Rest seines kleinen Vermögens, bestehend aus 13 Groschen, aus seinem Geldbeutel, aber die Räuber schreien: "Wenn du Wein trinken kannst, du Kerl, dann hast du auch Geld!" Eben schicken sie sich an, die armen Leute auf's neue zu mißhandeln, da erscheint Schinderhannes in der Kammertür. Erschrocken lassen die Räuber ihre Opfer los, doch Schinderhannes reist seine Pistole aus dem Gürtel und ein Schuss zerschmettert den Schädel des Rädelsführers. Die anderen drei ließ er später drei Tage lang krumm schließen und Hungern.

aus "Heimatkunde des Hunsrücks" Druck u. Verlag Jac. Heinr. Walter 1921 / www.hunsrueck-zeitung.com

Schinderhannes und der Viehhändler

Eines Tages, als Schinderhannes einen Jahrmarkt besuchen wollte, begegnete ihm eine alte Bauersfrau, von der er erfuhr, dass sie eine Kuh kaufen wolle. Weinend erzählte das arme Weib, ihr Vieh sei gefallen und sie müsse trachten, billig einzukaufen, da sie nur 10 Kronentaler hätte. Schinderhannes gab der Frau noch 10 Kronentaler, damit sie sich die beste Kuh auf dem ganzen Markte aussuchen könne. Er stellte nur die Beding-
ung, dass sie sich von dem Viehhändler eine Quittung ausstellen lassen und ihm bringen müsse. Das geschah auch. Schinderhannes lauerte nun abends dem Viehhändler auf, zeigte ihm die Quittung und bat sich höflichst gegen Rückgabe derselben 20 Kronentaler aus. Der Viehhändler weigerte sich nicht im geringsten, löste die Quittung gleich ein und war froh, heiler Haut davon zu kommen.

aus "Heimatkunde des Hunsrücks" Druck u. Verlag Jac. Heinr. Walter 1921 / www.hunsrueck-zeitung.com

Schinderhannes und die Gendarmen

Vier durstige Gesellen saßen in der Schenke, waren munter und guter Dinge. Plötzlich hörten sie Pferdege-
trappel und bald darauf sprengten zwei Gendarmen auf den Hof. "Herr Wirt, einen Kümmel, wir sind auf der Suche nach Schinderhannes, der sich hierherum aufhalten soll und haben voraussichtlich noch eine harte Tour vor uns!" "He, Kameraden, kommt herein und ruht euch von euren Strapazen ein wenig aus", rief einer der vorhin erwähnten Zecher. "Ihr seid wackere Beamte und es soll uns nicht darauf ankommen, euch eine Fla-
sche Wein zum besten zu geben!" Gerne folgten die Gendarmen der Aufforderung und bald saßen alle gemütlich bei ihrem Wein und bliesen behaglich die Wolken aus ihren Pfeifchen. Der eine der vier Burschen verließ dann ohne Aufsehen das Zimmer; kurz darauf ertönte vom Fenster aus ein unbändiges Gelächter. Verwundert sahen alle um sich und erblickten ihren seitherigen Zechgenossen, der sich vor Lachen kaum halten konnte. "Ihr wollt Gendarmen sein", rief er den Beamten zu, "und kneipt mit dem Schinderhannes?" "Auf, fangt ihn, wenn ihr schnelle Beine habt!" Damit war der Bursche vom Fenster verschwunden, Die Gendarmen rannten in den Stall, schwangen sich auf die Pferde, um den Flüchtling einzuholen, aber, o weh! Kaum waren sie zu dem Stall draußen, fielen sie unsanft von den Pferden, - Schinderhannes hatte die Sattel-
gurten losgeschnitten.

aus "Heimatkunde des Hunsrücks" Druck u. Verlag Jac. Heinr. Walter 1921 / www.hunsrueck-zeitung.com

Schinderhannes schalkhafter Raubzug

In Kreuznach war Viehmarkt. Aus allen Richtungen kamen die Händler und Bauern mit gefüllten Geldbörsen, um Geschäfte zu machen. Der Schinderhannes wollte sich an diesen Geschäften beteiligen.
Also legte er sich mit seinen Gesellen auf die Lauer. Er brauchte nicht lange zu warten, bis eine Schar Händ-
ler kam, im munteren Gespräch über zwielichtige Geschäfte, die sie abgewickelt hatten. Plötzlich schob Schinderhannes den Lauf seiner Flinte hinter einem Felsen vor und donnerte den Erschrockenen ein mäch-
tiges "HALT" entgegen. Wie angewurzelt blieben sie stehen. "Der Schinderhannes!" rief schließlich einer, der sich vom ersten Schrecken erholt hatte. Die ganze Gesellschaft wollte kehrtmachen und Reißaus nehmen. Aber als die Handelsleute sich umdrehten, blickten sie in schwarze verschmierte Gesichter und drohende Gewehrmündungen. Sie waren umzingelt, eine Flucht war unmöglich und so ergaben sie sich zeternd und jam-
merten in ihr ungewisses Schicksal. Schinderhannes kam mit vorgehaltener Flinte gemächlich vom Felsen herab und trat vor die Händler. "Die Geldbörsen her!" fuhr er sie an. Einige hatten vorsorglich ein Teil ihres Geldes am Körper versteckt oder in die Kleider genäht, doch Schinderhannes kannte diese Tricks und ließ einen jeden gründlich visitieren. Schließlich hatte keiner der Geprellten auch nur so viel Geld, dass er sich auf dem Markt ein Ziegenfellchen hätte kaufen können. Nun befahl der Räuberhauptmann barsch: "Schuhe aus-
ziehen und auf einen Haufen werfen! " Verdutzt sahen die Händler sich an. Was sollte denn das bedeuten? Aber ein Blick auf den Schinderhannes verriet ihnen, dass er es ernst meinte. Als alle ihre Schuhe hingelegt hatten, wühlte ein Schalk die Paare so durcheinander, dass nicht ein einziges zusammenblieb. dann zog der Schinderhannes seine Uhr heraus und rief: " Anziehen! Wer in fünf Minuten seine Schuhe nicht anhat, wird erschossen." Wie die Raubkatzen stürzten sie sich auf die Schuhe. Jeder wollte die besten herausfischen, jeder wollte aber auch schnell hier wegkommen. Ein wüstes Handgemenge entstand, sie schlugen sich die Köpfe blutig, zausten sich gegenseitig an den Haaren und rissen sich die Kleider vom Leibe. Die fünf Minuten waren lange vorbei, als der letzte ein Paar Schuhe zusammengerafft hatte. Der Schinderhannes und seine Bande waren inzwischen verschwunden. Auf dem Markt zu Kreuznach erzählte man von nichts anderem als von diesem schalkhaften Streich des Schinderhannes.

aus "Im Land des Schinderhannes", Kurt Bach, Spee Verlag Trier


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